Faktencheck Energiewende

Die Energiewende ist ein gigantisches Projekt. Die Abkehr von fossilen Brennstoffen in der Industrie und im Alltag wird den Strombedarf kräftig erhöhen. Gleichzeitig soll der Strom schon 2030 zu 80 % aus Erneuerbaren Energien stammen. Fest steht, der Ausbau der Erneuerbaren hat Tempo aufgenommen. Aber reicht das? Und wo stehen wir heute?

2023 wurden erstmals rund 55 % des in Deutschland genutzten Stroms aus grünen Quellen hergestellt. Doch um in sechs Jahren 80 % und bis 2045 100 % zu erreichen, muss noch Enormes geleistet werden:

Der Ausbau der Wind- und Solarenergie, der Ausbau der Stromnetze, die Lösung des Problems der sogenannten Dunkelflauten (wenn kein Wind weht und die Sonne nicht scheint), der Ausbau von Stromspeichern und der Bau neuer Kraftwerke sowie der Aufbau einer grünen Wasserstoffindustrie: es ist noch viel zu tun! Wir bewerten den Stand der Dinge.

Ausbau der Solarenergie kommt zügig voran
Der Solarboom ist Realität. Die Ausbauziele der Bundesregierung für 2023 wurden mit 14 Gigawatt zusätzlicher Leistung deutlich übertroffen. Solarmodule sind billiger geworden, Anbieter aus China haben große Kapazitäten aufgebaut, die Anlagen sind leistungsfähiger und einfacher zu handhaben. Solaranlagen erfreuen sich großer Beliebtheit, ob als kleines Balkonkraftwerk oder als großer Solarpark. Nach Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme war der Juni 2023 der Monat mit der höchsten jemals erzeugten Menge von Solarstrom.  Um das Ausbauziel bis 2030 zu erreichen, muss der Boom weitergehen: Für dieses Jahr beträgt der angepeilte Zubau eine zusätzliche Leistung von 13 Gigawatt. In den ersten beiden Monaten wurden 2,2 Gigawatt erreicht. Damit kann das Jahresziel 2024 erreicht werden. In Sachen Solarausbau liegt die Energiewende also gut im Plan. Hier ganz klar: Daumen hoch!

Bei der Windenergie hapert es

Aus dem Fraunhofer-Bericht geht auch klar hervor, wo es bei der Energiewende in Deutschland derzeit am stärksten hapert: bei der Windenergie. Eigentlich sollen an Land jedes Jahr bis zu zehn Gigawatt Windleistung zugebaut werden. Das Ergebnis 2023 ist im Vergleich dazu kläglich: Nur 2,7 Gigawatt wurden im vergangenen Jahr realisiert. Im Offshorebereich war der Zubau angesichts komplizierter Ausschreibungen und langer Bauzeiten noch träger: nur 0,23 Gigawatt statt der angestrebten 0,7 Gigawatt. Der Ausbau der Windenergie bleibt weiterhin hinter dem Plan zurück. Die Frage ist, ob sich das im laufenden Jahr substanziell ändert. Eine positive Entwicklung gibt es bei der Zahl der neuen Genehmigungen – diese dürften sich in nächster Zeit auch in höheren Zubauzahlen niederschlagen. Unser Fazit: ein ernüchterndes Delta zwischen Plan und ist – hier ist schnell Momentum gefragt!

Ausbau der Stromnetze hat begonnen

Um den grünen Strom dahin zu befördern, wo er gebraucht wird, müssen neue Stromleitungen her. Nach langer Vorlaufzeit wurde in den vergangenen Monaten der Bau gleich mehrerer Trassen begonnen. Allein die Trasse Südlink koste zehn Milliarden Euro und sei damit das teuerste Einzelprojekt der Energiewende, schreibt die „Zeit“. Die Trasse soll ab 2028 Windstrom aus Schleswig-Holstein 700 Kilometer nach Bayern und Baden-Württemberg leiten. Um das Ausbautempo zu beschleunigen, wurden vor allem die Genehmigungsverfahren gestrafft und zahlreiche Vorschriften gelockert. Unsere Bewertung: Der Anfang ist gemacht. Es geht voran!

Energiespeicher: Noch gravierende Lücken

Mit höherem Anteil grüner Energie am Strommix wächst auch die Notwendigkeit, flexibel auf Angebots- und Nachfrageschwankungen zu reagieren. Ein wichtiger Faktor sind Energiespeicher, die in sonnen- und windarmen Zeiten überschüssigen Strom zurück ins Netz speisen. Das können Batteriespeicher, Pumpspeicher oder die Umwandlung von Strom in synthetische Gase wie Wasserstoff oder Wasserstoffderivate sein. Insgesamt kamen die Speicher in Deutschland Ende 2023 auf eine installierte Leistung von 16,3 Gigawatt. Den größten Teil machen mit 9,4 GW Pumpspeicher aus. Die Gesamtleistung der Heim-, Groß- und Gewerbespeicher in Deutschland entsprach Ende 2023 mit 7,2 Gigawatt etwa Dreiviertel der Leistung von Pumpspeicherkraftwerken. Mit diesen Kapazitäten kann knapp ein Fünftel des durchschnittlichen stündlichen Strombedarfs in Deutschland gedeckt werden. – Stand der Dinge: Noch viel Luft nach oben!

Wasserstoff-ready-Kraftwerke: immerhin – die Strategie steht

Nach langem Ringen hat sich die Bundesregierung im Februar auf einen Kompromiss zum Bau neuer Kraftwerke verständigt. Die Kraftwerksstrategie sieht zunächst den Bau von bis zu zehn Gigawatt an wasserstofffähigen Gaskraftwerken vor. Zehn Gigawatt entsprechen etwa 20 Kraftwerksblöcken. Diese sollen zunächst mit Erdgas und dann sukzessive mit grünem, klimafreundlichem Wasserstoff betrieben werden. Als Zieldatum wird nun statt 2035 spätestens das Jahr 2040 genannt. Immerhin sind die Voraussetzungen, dass es vorangeht, geschaffen. Unsere Einschätzung: Guter Plan – ob der Zeitbedarf jedoch realistisch veranschlagt ist, bleibt fraglich!

Grüner Wasserstoff noch Zukunftsmusik

Ähnlich wie Öl ist auch H₂ als Einsatzstoff, Brennstoff oder Energieträger vielseitig einsetzbar. Wasserstoff wird mit hohem Energieaufwand hergestellt. Wo dies mit Erneuerbarer Energie geschieht, spricht man von grünem Wasserstoff. Gerade in Bereichen, in denen fossile Alternativen schwer zu ersetzen sind, könnte H₂ zur Dekarbonisierung beitragen – etwa in der Chemie-, Stahl-, und Zementindustrie oder im Schwerlastverkehr. Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, ein weltweit führender Hersteller von Technologien zur Wasserstofferzeugung, -speicherung, -nutzung und dessen Transport zu werden. Im November 2023 legte die Regierung einen Entwurf für ein Wasserstoff-Leitungsnetz vor: 9.721 km Pipeline müssen dafür verlegt oder umgebaut werden. Auch woher der grüne Wasserstoff kommen soll, ist noch fraglich und Gegenstand von Verhandlungen mit Staaten mit viel Sonne oder Wind bsp. in Afrika oder der Arabischen Halbinsel. Transportiert werden soll der Wasserstoff mit Schiffen, die an den neuen Flüssiggas-Terminals anlanden. Unser Fazit: Hier ist definitiv noch Pioniergeist gefragt!

Wie steht es also insgesamt mit der Energiewende?

Wir meinen: Deutschland ist auf einem sehr guten Weg. Es ist schon viel erreicht, alle Parameter für 100 % Erneuerbare sind bekannt und stehen fest. Jetzt geht es darum, mit Entschlossenheit die nächsten Schritte zu gehen – ein gigantischer Kraftakt für die Branche! Der Investitionsbedarf in allen hier beschriebenen Sektoren ist riesig und für uns als ÖKORENTA eine großartige Möglichkeit für vielversprechende zukünftige Anlagethemen und -optionen. – Die Energiewende hält für uns und unsere Anleger noch viel Spannendes bereit. Wir bleiben am Ball!

Abb.: © flyalone – stock.adobe.com

Quellen: Agora Energiewende; Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE; Business Insider

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